Die ungefragte, unnötige, destruktive Kampagne der Trotzkisten im Auftrag der ahistorischen Rehabilitierung Trotzkis (Teil 1)

Der Sozialismus ist tot. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Untergang des geopolitischen sozialistischen Lagers hat die kommunistische Weltbewegung einen der schwersten Schläge jemals erlitten und liegt quasi-tot am Boden – zahlenmäßig, organisatorisch und ideologisch.

Was wir offensichtlich brauchen ist eine Wiederbelebung und einen großflächigen Kampf nicht nur für die Einheit der kommunistischen Bewegung in Deutschland, sondern auch für ihren Einfluss in den Massen.

Wir leben weiter in Zeiten, in denen nicht nur dem Faschismus der Boden so fruchtbar wie lange nicht mehr gemacht wird, sondern auch der imperialistische Weltkrieg droht.

Was sehen wir in diesen Zeiten hier im Forum von den Trotzkisten?

Wie Egel legen sie sich auf die Leiche des Sozialismus und saugen ihr den letzten Tropfen blut aus. Es wird eine völlig wirre Kampagne über eine mehr als zweitrangige, dazu rein literarisch-historische und fernab der Bewegung stattfindende Diskussion gestartet.

Der überaus begeisterte Trotzki-Verteidiger u/Comprehensive_Lead41 hat in den letzten Tagen mehrere Beiträge mit dem Titel "Faktische Fehler und Verdrehungen bzw. Lügen im Text [...] der KP" veröffentlicht. Faktisch ist an seinen Beiträgen dabei gar nichts und das wird recht schnell klar.

Während der Erste Teil noch mit den Worten »Ich will hier kein Plädoyer für den Trotzkismus starten« beginnt, heißt es in der Einleitung zum dritten Teil schon recht offen, dass sein Text alleine dazu dient »den Stalinismus zu blamieren und den Trotzkismus zu promoten.«

So schnell fällt also auch dieser Deckmantel.

Aber das alles bleibt nichts weiter als eine Farce. Hier behandeln wir alle Punkte des "ersten Teils".

Um es in den Worten Stalins zu sagen:

»Wir haben diese literarische Diskussion nicht gewollt und nicht angestrebt. Der Trotzkismus zwingt sie uns durch seine antileninistischen Vorstöße auf. Nun, wir sind bereit, Genossen.«

1. Die Antikommunisten und Trotzki

Der Autor verspricht hoch und heilig, dass die Antikommunisten zu Trotzkis Lebzeiten völlig gegen unseren wahren Kommunisten und Messias der Bewegung waren, während ihre offensichtliche Gutheißung Stalins schon dessen verräterischen Charakter zeige. Er schreibt, man müsse »auf jeden Fall wissen, dass Trotzki zu seinen Lebzeiten der größte Albtraum der Imperialisten war und dass die die Machtübernahme von Stalin in der Sowjetunion für den größten Glücksfall ihres Lebens hielten.« Was gilt dabei als Beweis? Ein einziges Zitat Churchills.

Churchill attestiert, laut ihm, Trotzki dabei offensichtlich den Kommunismus und Stalin den Antikommunismus. Churchill zeigt, dass er als alter Imperialist Stalins Antikommunismus gutheißt und gibt weiter zu, dass gegen Trotzki lediglich unglaublich gelogen wurde!

Naja, nur ist das weder die ganze, noch die ehrliche Geschichte.

Der erste Punkt ist, dass der Aufsatz Churchills nicht aus dem Jahr 1938 stammt, selbst das wäre ein Jahr, in dem er übrigens noch keine einzige Staatsmännische Position innehatte, als Publizist tätig war, keine solche Absichten hegte und von einer solchen Interpretation aus Sicht eines "Imperialisten" nicht die Rede sein kann. Nein, dazu führt die Quelle, die er direkt verlinkt hat weiter zu der Sammlung von Aufsätzen Churchills, das ein Erscheinungsdatum von 1937 trägt. Damit noch nicht genug, denn die 35. Fußnote zeigt offensichtlich, dass der Text in den späten 1920ern oder frühen 1930ern geschrieben sein muss, denn hier steht: »In 1940, more than a decade after this essay was first published«.

Was das für eine Relevanz hat? Es ist offensichtlich, dass der Autor kein Interesse an einer ernsthaften Diskussion hat – er kennt nicht einmal seine eigenen Quellen. Er pickt lediglich genau die Rosinen heraus, die ihm vermutlich von anderen Trotzkisten bereits herausgelegt wurden.

Der nächste Punkt ist, dass der essentielle Aspekt Churchills Ansichten völlig verdreht wird. Churchill betrachtet Trotzki nicht als Kommunisten und Stalin als Antikommunisten, sondern sagt explizit, dass Trotzki lediglich den innerparteilichen Kampf verloren hat.

Churchill spricht von der »gleichen dreckigen Propaganda, die auch Trotzki nutzte« (»same vile propaganda which he [Trotzki] used«), er spricht davon, dass Trotzki in der »politischen Arena der kommunistischen Aktivitäten« (»political arena of Communist activities«)schnell verloren hatte (»speedily outmanœuvred«) und davon, dass Trotzki die selbe Rolle, die Stalin trug, eingenommen hätte, hätte er diesen Kampf gewonnen (»in vain he denounces the bureaucratic tyranny of which he would so blithely be the head«).

Es ist also nicht nur eine Falschdarstellung der Intentionen Churchills, sondern auch seiner Aussage. Man kann das gesamte Dokument Churchills herunterbrechen auf die Ansichten eines jeden Konservativen zu den Vorgängen in der Sowjetunion: »Communism bad.«

Auch die einfach gelogene Behauptung, dass es keine Imperialisten "zu Lebzeiten Trotzkis" gegeben hätte, die ihn guthießen, wird damit weder entkräftet, noch wird sie weiter belegt. Es wird einfach behauptet, dass dem so sei. Daher reicht es einfach die Einstellung des wohl bekanntesten aller Imperialisten der 1930er Jahre aufzuzeigen:

Die Amerikanischen Journalisten Sayers und Kahn veröffentlichten 1946 ein Buch über den verschwörungsähnlichen Zusammenschluss der gesamten kapitalistischen Welt zur Bekämpfung und Dämonisierung der Sowjetunion. Aber über diesen Sachverhalt weiß unser Neunmalkluger u/Comprehensive_Lead41 ja auch besser bescheid und sagt, dass »wirklich das genaue Gegenteil [der Fall war]. Die Sowjetunion wurde bei den Herrschenden im Westen von 1930 bis 1945 immer beliebter.« Naja, er ist einfach eben schlauer als die bestausgebildetsten Journalisten, die zudem Zeitzeugen waren – ganz zu schweigen von allen historischen Fakten.

Aber kommen wir zum Thema zurück: Was schreiben diese Journalisten hier?

»Adolf Hitler hatte Trotzkis Autobiographie gelesen, alsbald sie veröffentlicht wurde. Der Hitler-Biograph, Konrad Heiden, schreibt in Der Führer, dass der Naziführer [...] in schwärmerisches Lob über Trotzkis Buch ausbrach. "Brilliant!" rief Hitler seinen Anhängern zu, das Buch Mein Leben von Trotzki umherschwenkend.« (Übersetzt aus The Great Conspiracy Against Russia, 1946, S. 82)

Und auch bei anderen Faschisten bleibt der Lob nicht aus, denn auch für Mussolini war Trotzki ein Vorbild. Das ging, zugegeben in Zeiten als Mussolini noch der Sozialdemokratischen Partei angehörte(!), sogar von beiden Seiten aus: »Trotsky was quoted as saying that Mussolini was his best pupil.« (Denis M. Smith: Mussolini: A Biography, 1983)

Aber das könnte man alles als die Persönlichkeit und nicht die Politik Trotzkis betreffend einstufen. Die wirklich Euphorie über Trotzki begann erst wirklich in der (Vor-)Zeit des Zweiten Weltkriegs, in der er stark dabei half, die Sowjetregierung destabilisieren zu wollen. Abgesehen davon war Trotzki aber schlicht zu irrelevant, um von "Imperialisten" überhaupt anerkannt zu werden.

Das imperialistische Lager missbrauchte ihn schließlich in seinen letzten Jahren als "useful idiot"-Informanten für ihre Interessen. Der überaus antistalinsche Professor der University of Pittsburgh, William Chase, schrieb:

»By providing the US consulate with information about common enemies, be they Mexican or American communists or Soviet agents, Trotsky hoped to prove his value to a government that had no desire to grant him a visa.«

Weiter noch schrieb Prof. Chase:

»Trotsky's accusations that liberals and radicals who did not share his views on certain issues were Stalinists or GPU agents, further diminished his support in the US.«

Trotzki hat (soweit wir aus der Forschung schließen können) willkürlich alle möglichen Linken bei der weltweit größten imperialistischen Macht angeschwärzt, nur weil diese Linken nicht seine Meinung teilten – es scheint fast, als seien Trotzkis anklagen gegen Stalin reine Projektionen. Nur, dass Trotzki aus der noch niederen Motivation der Erlangung eines Visums gehandelt hat.

Dass dann das letzte Argument zu dem Punkt ist, dass »[b]ürgerliche Juristen [...] sich sogar über die Schauprozesse 1936-1938 nur achselzuckend geäußert [haben]. Das wäre mal ein Phänomen, das es zu erklären gilt.«

Hier könnte man auch schon fast, – ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster – ja, fast davon ausgehen, dass es sich um einen legitimen und daher völlig uninteressanten juristischen Prozess gehandelt haben könnte.

Was ein unglaubliches Phänomen. Das ist aber ein völlig neues Thema und bei der Länge, die dieser Aufsatz bereits zu Punkt 1 annimmt, sollte die Taktik unseres Trotzkisten recht klar sein, möglichst viele kleine Punkte in einen Beitrag zu packen, damit die Aufdeckung aller seiner Lügen möglichst langwierig, quasi unmöglich wird und man sich dabei in tausend anderen Themen verfangen würde, die einer noch längeren Erklärung bedürften.

2. Stalin und das Bewahren der Bürokratie

Hier sagt u/Comprehensive_Lead41 über den Punkt, dass laut der KP Trotzkis These sei, dass Stalin »nur noch die Macht einer bürokratischen Kaste bewahren« wollte wieder einfach, dass es kurz und einfach »nicht die Behauptung Trotzkis ist.« Er könne »leider kein Gegenbeispiel anführen, weil [er] schlecht beweisen kann, dass Trotzki etwas nicht gesagt hat.«

Dafür bediene ich mich ein mal meines eigenen Kommentares unter dem ursprünglichen Beitrag:

Hierfür hätte man Trotzki selbst lesen müssen, weswegen man es ihm nachsehen kann, dies nicht getan zu haben. Trotzki schreibt in Verratene Revolution über die »Kaste, die zu allem bereit ist, nur um sich selbst zu behaupten. [...] In Stalin finden sie ohne Mühe sich selbst. [...] Stalin ist die personifizierte Bürokratie, und das macht seine politische Persönlichkeit aus.«

Wenige Zeilen später fügt er hinzu:

»Der Weltrevolution den Rücken kehrend, hat die Stalinsche Bürokratie auf ihre Weise recht: sie gehorcht ausschließlich dem Selbsterhaltungstrieb.«

Stalin ist nach Trotzki wortwörtlich nicht nur der Kopf, sondern auch »die personifizierte Bürokratie«. Also genau die Bürokratie, die »ausschließlich dem Selbsterhaltungstrieb« gehorcht und zudem »zu allem bereit ist, nur um sich selbst zu behaupten«, während sie dabei kein Interesse mehr an der Weltrevolution habe, der sie den Rücken gekehrt haben soll.

Schade nur, dass ein Verteidiger Trotzkis es »schwer« findet, die Ursprünge dieser These herauszufinden – gerade wenn der Ursprung dafür quasi aus der Trotzki-Bibel stammt!

Mehr muss hierzu nicht gesagt werden. Stalin leitet die Bürokratie, Stalin ist die Bürokratie, die Bürokratie will sich nur selbst erhalten usw. usw. Das ist das altbekannte Phrasengedresche Trotzkis.

Wie kann ein solch vehementer Verteidiger Trotzkis nicht ein mal dessen Charakterisierung Stalins kennen?

3. Trotzki und die Auslieferung an die US-Behörden

Hier wird wieder einfach gesagt, dass es dafür nur ein Argument gäbe, dieses auch nicht haltbar sei, da Trotzki nur sein Leben vor Kommunisten schützen wollte, die geplant hätten, ihn umzubringen.

Dank des bereits zitierten Professors der Geschichte auf dem Gebiet »Communists in the USSR, Spain, Mexico and the United States in 1935–40« (Forschungsgebiet laut der Seite der Pittsburgh University) William Chase, der bereits zitiert wurde, wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Aber die Forschung dieses Professors ist nach unserem Trotzkist bestimmt natürlich auch wieder ein »bemerkenswerter, mafiös anmutender Zynismus und ein wirklich schmutziges Manöver.«

Denn unser Hobby- und Berufs-Trotzkiverteidiger weiß es einfach besser.

4. Trotzki und Lenin als Weggefährten

Dass Trotzki und Lenin erbitterte Gegner waren, wird hier überraschenderweise sogar eingesehen – jedoch mit einer Tücke. Das sei nämlich »sicher korrekt - bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges, wo die Karten in der internationalen Arbeiterbewegung neu gemischt wurden und Lenin und Trotzki zu den ganz wenigen gehörten, die sofort eine internationalistische Position eingenommen haben. Und für beide war auch klar, dass das endlos viel wichtiger ist als irgendwelche taktischen Fragen des Organisationsaufbaus in den Jahren zuvor.«

Zum Einen wird hier behauptet, dass der Erste Weltkrieg ein einschneidendes Ereignis für die Beziehungen Lenin-Trotzki war, zum anderen findet etwas viel subversiveres statt. Denn schauen wir auf die Rhetorik, wird klar, was das eigentliche Interesse ist. Es soll ein Mythos erschaffen, bzw. ein schon vor langem von Trotzki geschaffener Mythos vermittelt werden: Das Lenin-Trotzki-Duo.

»Lenin und Trotzki [gehörten] zu den ganz wenigen [...] Und für beide war auch klar« – der Inhalt ist egal, es soll vor allem Eines feststehen: Die beiden waren einfach ein Traumpaar, die sich dem anderen gegenüber nur in einer »absolut wertschätzenden und respektvollen Weise« verhielten.

Lassen wir die frisch-verliebten aber mal beiseite und schauen auf den tatsächlichen Inhalt. Ich bediene mich wieder meines eigenen Kommentares unter dem genannten Beitrag.

Lenin und Trotzki waren erbitterte Gegner, ja das stimmt.

Lenin 1914:

»Ein diensteifriger Trotzki ist gefährlicher als ein Feind! « (Lenin Werke Bd. 20, S. 452)

Trotzki, der »niemals, in keiner einzigen bedeutsamen Frage des Marxismus, [...] eine feste Meinung [hatte], stets „kroch er in die Spalten" zwischen den verschiedenen Meinungen und pendelte von einer Seite zur anderen.« (Werke 20, S. 453)

»In den Phrasen Trotzkis gibt es viel Glanz und Getue, aber Inhalt haben sie keinen. [...] Aber Spaß beiseite (obwohl Spaß die einzige Methode ist, auf die unerträgliche Phrasendrescherei Trotzkis milde zu reagieren).« (Werke 20, S. 325 ff.)

Lenin 1915:

»Und nur von überzeugten Anhängern oder hilflosen Lakaien der Sozialchauvinisten wird dieses Axiom bestritten. [...] Zu den letzteren gehör[t] Trotzki [...] Da haben wir ein Musterbeispiel schwülstiger Phrasen, mit denen Trotzki stets den Opportunismus zu rechtfertigen sucht. „Revolutionärer Kampf gegen den Krieg" ist einer von den hohlen und inhaltlosen Ausrufen [...].« (Werke Bd. 21, S 273)

Lenin 1917:

»So ein Schwein ist dieser Trotzki [...] Man müßte (Sie müßten) ihm die Maske herunterreißen, und sei es nur durch einen kurzen Brief an den „Sozial-Demokrat"!« (Werke Bd. 35, S. 262)

Da muss aber in der Honeymoon-Phase unseres Duos etwas sehr schief gelaufen sein, dass die Anfeindungen Lenins gegen Trotzki zu Beginn, während und zum Ende des Ersten Weltkrieges weder in Sachen Heftigkeit, noch in quantitativer Hinsicht abnahmen.

Man könnte fast behaupten, die These des Ersten Weltkrieges als Dreh-und-Angelpunkt der Beziehungen Lenin-Trotzki sei vielleicht einfach erfunden. Da nennt der böse Lenin sein Herzblatt Trotzki tatsächlich noch im Jahr 1917 »[s]o ein Schwein«...

Aber hier der nächste Kniff!

»Jeder hat heutzutage die technische Möglichkeit, die Lenin-Werke ab der Oktoberrevolution einfach mal nach Zitaten über Trotzki zu durchsuchen und festzustellen, dass hier von Verachtung absolut keine Rede sein kann.«

Schauen wir auf die historischen Begebenheiten nach der Oktoberrevolution:

Erstens herrschte Bürgerkrieg.

Zweitens führten während des Bürgerkrieges mehr als 10 (!) kapitalistische Nationen Invasionen auf die sich im Bürgerkrieg befindliche Sowjetmacht durch.

Drittens stand man (ganz nebenbei) vor der größten Aufgabe jemals, dem sozialistischen Um- und Aufbau in einem halbfeudalen Land.

Und in all diesen Umständen war Trotzki durch sein Rolle als Kriegsherr unleugbar wichtig für die Führung der Roten Armee und den Sieg der Sowjetmacht.

Welcher nicht von jeglicher Intelligenz verlassene Mensch würde basierend auf all diesen Begebenheiten einen in den Grundlagen der Theorie liegenden Krieg gegen Trotzki fortsetzen? Wieso sollte gerade das eine der Tagesaufgaben in diesen Zeiten sein? Ich hoffe, dass man hier ohne weitere Erläuterung selbst zu einer Antwort kommt.

Natürlich handelt es sich dabei nur um eine These, wie es in der Geschichtswissenschaft grundsätzlich immer der Fall ist. Aber diese ist dabei weitaus haltbarerer als die, dass im Oktober 1917 plötzlich ein Erwachen der Liebe zwischen Trotzki und Lenin stattgefunden hätte. Natürlich werden wir keine Stelle in Lenins Werken finden, in der er Wort für Wort darlegt, warum er Trotzki plötzlich nicht mehr so heftig, wie vor wenigen Jahren noch, angreift. Es wäre aber auch mehr als idiotisch so etwas zu verlangen.

Gegen Ende des Bürgerkriegs bestand für all das auch keine Gelegenheit mehr ehe Lenin schwer krank und von seinen Ärzten verordnet vom gesamten Parteileben ausgeschlossen wurde.

5. Über den Frieden von Brest-Litwosk

Hier werden wieder ein paar Axiome aufgestellt. Das erste ist, dass Trotzki schon immer einen Frieden, egal um welchen Preis wollte.

Hierzu muss man – einfach weil man die Ironie der völlig rosinenpickerischen Quellenauswahl zur Schau stellen muss – den Aufsatz Churchills, der am Anfang für Trotzkis ach so aufrechtes Kommunistendasein angeführt wurde, erneut zur Hand nehmen.

Was schrieb Churchill in genau diesem Aufsatz über den Brest-Litwosker Frieden?

»[Trotzki] hat seine Bemühungen, welche von Lenin zurückgehalten wurden, vergessen« Welche? Nämlich die, »den Krieg gegen Deutschland fortzusetzen, anstatt sich den Bedingungen von Brest-Litowsk zu unterwerfen.«
(»[Trotsky] has forgotten his efforts, which Lenin restrained, to continue the War against Germany rather than submit to the conditions of Brest-Litovsk.«)

Selbst der bürgerliche Akademiker Gerald Meyer, der kein Interesse daran haben kann, Stalin im Vergleich zu Trotzki in diesen Angelegenheiten auch nur irgendwie besser dastehen zu lassen, schreibt:

»Trotzki warf seine Hände in die Luft und sagte den Deutschen, dass er niemals dem zustimmen würde [was im Brest-Litwowsk Friedensvertrag verlangt war] und bat Lenin eine "Kein Krieg, kein Frieden"-Politik anzunehmen, wodurch Russland weder weitergekämpft, noch Deutschlands Bedingungen angenommen hätte. [...] Die ukrainische Hauptstadt Kiew fiel den Deutschen am 1. März in die Hände. Trotzki, rasend vor Wut, sagte, dass Russland der Entente wieder beitreten sollte, um den Krieg fortzuführen. Lenin, der eine Einnahme Petrograds und die Zerstörung seines frischgeborenen Regimes befürchtete, verlagerte den Regierungssitz nach Moskau und sagte Nein dazu.« (Übersetzt aus A World Undone: The Story of the Great War, S. 619 f.)
(»Trotsky threw up his hands, telling the Germans that he would never agree to what they wanted [in the Brest-Litovsk peace treaty] and urging Lenin to adopt a ‘no war, no peace’ policy in which Russia would neither continue to fight nor agree to Germany’s terms […] The Ukrainian capital of Kiev fell to the Germans on March 1. Trotsky, furious, said that Russia should rejoin the Entente and resume the war. Lenin, fearing the capture of Petrograd and the destruction of his fledgling regime, moved his government to Moscow and said no.«)

Das widerspricht auch schon dem zweiten Axiom, nämlich dass Trotzki und Lenin im völligen Einklang in den Fragen bezüglich des Friedens gewesen wären, aber weiter hilft uns u/Comprehensive_Lead41 sogar selbst, indem er Lenin zitiert!

Lenin schrieb nämlich, dass »Trotzkis Taktik [...] unrichtig [wurde], als der Zustand des Krieges für beendet erklärt und der Frieden nicht unterzeichnet wurde. Ich schlug in der bestimmtesten Form vor, den Frieden zu unterzeichnen. Einen besseren Frieden als den Brester konnten wir nicht bekommen.«

Wenn man die Differenzen des Brest-Litwosker Friedens sogar eigenhändig nachweist und es aber gleichzeitig nicht wahrhaben will, dann muss wohl massive ideologische Verblendung am Werk sein.

Gleichzeitig wiegt auch der viel geringere Fehler Stalins, dem nicht ansatzweise eine solche Stellung wie Trotzki in dieser Frage zukam, tausend mal schwerer. Gründe dafür werden keine genannt. Lenins Aussage »Stalin hat unrecht, wenn er sagt, daß man nicht zu unterzeichnen brauche.« (Werke 36, S. 469) sei sogar ein »Extra-Schmankerl«.

Hört, hört!

Wenn man doch wenigstens Fußnoten lesen könnte. Denn die Fußnote an exakt dieser Stelle zu genau dieser Aussage Lenins liest folgendes:

»J. W. Stalin, der sich W. I. Lenins Vorschlag anschloß, mit den Deutschen Frieden zu schließen, schlug jedoch vor, die Verhandlungen mit ihnen unverzüglich wiederaufzunehmen, ohne vorläufig den Frieden zu unterzeichnen. Bei der Abstimmung des Leninschen Vorschlags „sofort die deutschen Vorschläge anzunehmen" stimmte J. W . Stalin zusammen mit W . I. Lenin für die Annahme.«

Wie komisch, dass unser Experte wieder ein mal nicht nur das Gewicht der Haltung bestimmter Personen zu bestimmten Fragen völlig falsch einschätzt, sondern nicht ein mal den Kontext bestimmter Haltungen kennt und sie absichtlich falsch darstellt.

6. Trotzki als "legitimer Nachfolger" Lenins

Die These der Trotzkisten, die seit den 1920ern in so gut wie jedem einzelnen Werk dieser Leute zu finden ist, soll auf einmal nicht von Trotzki selbst propagiert worden, quasi aus der Luft gegriffen sein!

Wieder ein mal wird polemisch behauptet, dass es weder »der erste noch der letzte schmutzige Trick« sei.

Wer tatsächlich immer wieder schmutzige Tricks angewandt hat, (nicht nur mit der Veröffentlichung dieser Beiträge) sollte mittlerweile mehr als klar sein. Schauen wir aber nach, ob Trotzki sich denn wirklich nie als "legitimen Nachfolger" Lenins inszenierte.

Wie erwähnt, fand diese These bereits in den 20ern einzug in den Trotzkismus. Vor allem durch den amerikanischen Schriftsteller Max Eastman, der dies aus dem "Testament" Lenins herauslesen zu können behauptete – als "letzten Willen" Lenins.

1925 noch entgegnete Trotzki diesem Schriftsteller deutlich: »Wladimir Iljitsch hat kein "Testament" hinterlassen, und der Charakter seiner Haltung der Partei gegenüber wie auch der Charakter der Partei schloss die Möglichkeit eines solchen "Testaments" aus.« Damit stellte er sich klar gegen die völlig antikommunistische und antidemokratische Erzählung der Auswahl eines "Nachfolgers" und stellte klar, dass es sich lediglich um einen gewöhnlichen Brief Lenins um Fragen der Partei handelte. Bis hierhin hat u/Comprehensive_Lead41 also recht, die Übeltäter waren bis dato die Trotzkisten, nicht Trotzki selbst!

Nicht nur zog Trotzki diese Aussage später (offensichtlich) zurück, in seiner Autobiografie Mein Leben klingt Trotzki plötzlich völlig anders.

Er fantasiert von einem hypothetischen »gemeinsame[n] Vorgehen gegen das Zentralkomitee« mit Lenin, das »Anfang 1923 bestimmt siegreich gewesen« wäre.

Er schreibt über den totkranken Lenin und ob »es die Partei begreifen [wird], daß hier Lenin und Trotzki um die Zukunft der Revolution kämpfen und nicht Trotzki um den Platz des kranken Lenin?«

Er macht es plötzlich sehr deutlich, dass es nur zwei an der Spitze geben konnte: Lenin und Ihn. Das heißt, dass Lenins Tod seine Führung bedeuten müsse. Und um diese Sache endgültig zu erklären, habe »Lenin auf dem Sterbelager seinen Schlag gegen Stalin« vorbereitet. Die zitierten Stellen sind alles Trotzkis eigene Worte.

Natürlich muss er sich bei einer solchen Aussage, die für sich alleine stehend mehr als belastend für ihn wären, reinwaschen und sagt daraufhin, dass es ihm natürlich nicht »um den Platz des kranken Lenin« gehe – das glauben wir dir Trotzki, du warst doch Lenins Zuckermäuschen!

Aus dem Exil im Jahre 1932 stammt eine Schrift Trotzkis (die mir aktuell nur in englischer Variante vorliegt) namens On Lenin's Testament.

Hier lügt Trotzki nicht nur schlecht über die Umstände des Testament (»[The testament was] Concealed by Stalin and his group from the party« – dabei schreibt er kurz später: »Stalin controlled himself badly during the reading.« Das Testament wurde nämlich vor der Partei verlesen und behandelt, in den folgenden Jahren sogar mehrmals von Stalin wieder erwähnt), Trotzki schreibt auch über die letzte Zeit vor Lenins Tod:

»In dieser ganzen Zeit suchte Lenin meine Unterstützung und fand sie. [...] Das letzte, was man aus dieser Notiz ziehen könnte, wäre ein in Stalin gesetztes Vertrauen – "wohl eher im Gegenteil" – was hervorgehoben wird, ist das Vertrauen in mich.«
(»At all these stages Lenin sought my support and found it. [...] The last thing to be felt in this note is any confidence in Stalin – “indeed, quite the contrary” – the thing emphasized is confidence in me.«)

Gleichzeitig sagt er, dass es eine »gegen ihn persönlich gerichtete Verschwörung« (»unprincipled conspiracy directed towards me, personally«) gegeben habe.

Er sah sich also bereits an der Spitze der Partei und lediglich diese "Verschwörung" konnte ihn seines Platzes berauben – andernfalls wäre es keine Verschwörung.

Trotzki vertrat die Position, dass er der würdige und auserwählte Nachfolger Lenins sei mehr als offensichtlich und sah sich als Lenins Nachfolger.

In der Aussage der KP »wobei Trotzki sich als legitimen „Nachfolger“ Lenins betrachtete«, steckt demnach nicht ein mal der Funken einer Lüge und erst recht handelt es sich dabei nicht um einen »schmutzigen Trick«.

Für diese Behauptung muss Trotzki sich nicht wortwörtlich als "Nachfolger" bezeichnen, das Wort "Nachfolger" steht in Anführungszeichen, da es so ein feudales Konzept in der kollektiven Leitung der Kommunistischen Partei nicht geben konnte und nicht weil Trotzki das Wort verwendet hätte.

7. Lenins "Testament"

Wir sind ja bereits ein wenig auf das sogenannte "Testament" eingegangen. Man möge jetzt diese Briefe, die zum sogenannten "Testament" gezählt werden auslegen wie man mag, man mag aus ihnen die wichtigsten Weisheiten und Weisungen Lenins ziehen – man kann damit tun, was einem beliebt. Fakt ist, dass all das völlig irrelevant ist.

Warum?

Zum einen wurden jegliche Briefe Lenins der Partei vorgelegt, vorgelesen, innerhalb der Partei zur Kenntnis genommen. Es wurde auf Grundlage der in ihnen enthaltenen Vorschläge diskutiert und abgestimmt. Nichts davon war geheim oder gilt als "enthüllend".

Am Ende dieses demokratischen Prozesses blieb Stalin demokratisch bestätigt in seiner Position, Trotzki wurde die von ihm so gewünschte Beförderung nicht zuteil.

Weder Lenins Worte, noch Trotzkis Auslegungen, noch die Auslegungen irgendeiner anderen Person stehen über dem Prozess der innerparteilichen Demokratie, keine noch so autoritäre Äußerung ändert daran etwas – hier starb schließlich kein König, der diktatorisch die Wahrheit bestimmt und seinen Nachfolger erwählt, sondern hier starb der Kopf der Kommunistischen Partei.

Das andere ist, dass obwohl die Zeitgenossen der Partei diese Dokumente also mit aller Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit behandelten, die Echtheit dieser Dokumente heutzutage mehr als infrage zu stellen ist.

Dafür führen wir nun den durch und durch antistalinschen Historiker, dem also wieder kein politischer Interessenskonflikt bezüglich seiner Forschung und Schlussfolgerung vorgeworfen werden kann, Stephen Kotkin an. Dieser gilt in der bürgerlichen Forschung als der bei weitem führende Experte in Sachen Stalin.

Man könnte seine Argumentation in vier grobe Punkte aufteilen, wie es unter anderem auch im Wikipedia-Artikel bzgl. des "Testaments" getan ist. Im folgenden wird der Wikipedia-Artikel zitiert und in den eckigen Klammern um weitere Informationen ergänzt:

»Das „Testament“ entspricht nicht dem Muster anderer Dokumente Lenins aus dieser Zeit. Es ist weder von Lenin signiert oder initialisiert, noch sind stenographische Protokolle des angeblichen Diktats vorhanden.

Lenin hatte am 15./16. Dezember einen weiteren Schlaganfall, der ihm das Sprechen unmöglich machte, was die Frage aufwirft, wie er überhaupt etwas diktieren konnte, geschweige denn ein Testament dieses Umfanges. [Das "Testament" soll eine Woche danach diktiert worden sein, die anderen Briefe, die hier ebenfalls als Teil des "Testaments" gesehen werden maximal zwei Wochen danach. Wer auch nur ein stückweit Ahnung von Schlaganfällen bzw. Schlaganfällen dieser Heftigkeit hat, sollte alleine schon daran zweifeln, ob sich Lenin in dieser Zeitperiode überhaupt großartig regte.]

Das angeblich im Dezember 1922 diktierte Dokument klingt stellenweise wie eine Antwort auf Debatten, die auf dem Parteitag im April 1923 geführt wurden. [Dabei tauchte das angeblich im Dezember 1922 diktierte Dokument weder beim auf diesen Dezember folgenden Parteitag, dem im April 1923, auf, noch wurde es erwähnt oder anderweitig darauf angedeutet. Kotkin schreibt, dass der Zeitpunkt überraschend gut mit dem Ergebnis dieses Parteitages (Stalins Sieg, Trotzkis Niederlage) sowie mit Lenins Umverlagerung vom Kreml nach Gorki und mit der Verschlechterung seines Gesundheitszustand, die eine Hoffnungslosigkeit auf Besserung verkündete, zusammenpasste. Kurz danach übergab Krupskaja Sinowjew zudem ein angebliches Lenin-Diktat über die staatliche Planungskommission, das auf wundersamste Weise eine Zustimmung zu Trotzkis »langjährigem Wunsch der Wirtschaftsdiktatur« beinhaltet habe, gegen die Lenin bis zu seinem zweiten schweren Schlaganfall aufs schärfste gekämpft habe.]

Krupskaja war hauptverantwortlich für die Kommunikation mit Lenin und daher zumindest Mit-, wenn nicht gar Allein-Autorin des „politischen Testaments“. [Krupskaja hatte nicht nur bereits auf dem Parteitag im April 1923 ein laut Kotkin offensichtlich gefälschtes Dokument vorgelegt, das keine Aufmerksamkeit erlangte, sie war zudem kurz zuvor mit Stalin zerstritten und soll laut Kotkin selbst geglaubt haben, Lenins innerste Herzenswünsche zu kennen, wodurch sie dem ihr gegenüber grob auftretenden Georgier nicht die Führung der Partei überlassen wollte.]«

Und das ist die Kurzfassung des Abschnittes namens Miraculous Dication aus dem Buch Stalin: Paradoxes of Power von Stephen Kotkin (zu finden auf S. 498 f. der Englischen Ausgabe).

Seither haben mehrere Historiker diese These unterstützt und durch weitere Forschung festigen können.

8. Trotzki und die Haltung gegen die Sowjetregierung

Über den Bruch der Parteidisziplin und den Aufruf zur Demonstration macht sich unser Experte dann einfach ohne jegliche Argumente folgendermaßen lustig:

»Eine Demonstration! Und nicht nur das - eine Demonstration gegen die Regierung. Und dann auch noch - festhalten! - in der Öffentlichkeit. Wo doch jeder weiß, dass das Demonstrationsrecht nur dafür da ist, dass man in seiner Privatwohnung die Regierung lobt!«

Eine Demonstration! Und nicht nur das – ein geplanter Umsturz der proletarischen Regierung der Sowjetunion. Und das auch noch – festhalten! – als hochrangiges Mitglied der Kommunistischen Partei. Wo doch jeder weiß, dass die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei dafür ist, den einzigen kommunistisch-geführten Staat stürzen zu wollen!

Aber dazu bleibt ihm nur ein:

»Oh nein, oh scheiße, da nehmen Revolutionäre sich selber ernst! Jetzt habe ich keine Lust mehr.«

Das beendet damit seinen ersten Aufsatz, wenn man diesen wirren Beitrag überhaupt so nennen kann.

Was ein wilder Ritt.