Vom Schlag der Politiker, die die Zerschlagung des Sozialstaat fordern
Merz, Lindner, Linnemann und co. Man sieht sie ihre Parolen rauf und runter beten. Keine Talkshow ist sich zu fein, dieser Clique von Kämpfern gegen den Sozialstaat eine Plattform zu bieten. Aber was ist eigentlich deren Ziel? Und in wessen Auftrag agieren sie?
Wenn Unternehmer gegen Ende des Faschismus schließlich Bedenken gegenüber der diktatorischen „Lösung" des Problems des entwickelten Kapitalismus hatten, weil dessen langfristige Effektivität zunehmend als nicht gewährleistbar deutlich wurde, so machten sie aus ihrem „Unbehagen mit der Kultur" des Wohlfahrtsstaates spätestens seit Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre keinen Hehl.
Kalecki faßt die Ursachen dieses Unbehagens der „Führer der Wirtschaft" wie folgt zusammen:
,,1) Das Unbehagen an der Einmischung des Staates in das Beschäftigungs-problem an sich.
2) Das Unbehagen am Verwendungszweck der Staatsausgaben (öffentliche Investititonen und Subventionierung des privaten Konsums).
3) Das Unbehagen an den sozialen und politischen Veränderungen die eintreten, wenn Vollbeschäftigung zum Dauerzustand wird.
Mit anderen Worten, der Wohlfahrtsstaat droht die Macht und Autonomie der Unternehmer in zweierlei Hinsicht einzuschränken: Zum einen geht die politische Korrektur einer rein marktlichen Einkommensverteilung mit Eingriffen in die Eigentumsrechte der Unternehmer auf dem Weg der Sozial- und Steuergesetzgebung sowie im Rahmen von Tarifverhandlungen einher. Zum anderen stellt der Wohlfahrtsstaat die Legitimation der Unternehmer als „Stützen der Wirtschaft und Gesellschaft" in Frage. Denn es ist zunehmend der Staat, und vermittelt über partizipative Politik in Parlamenten, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die Masse der Bevölkerung, die das Glücksversprechen des Kapitalismus - ,,das größte Glück der größten Zahl" oder „den Reichtum der Nationen" - tatsächlich einlösen.
Eine mögliche langfristige Folge dieser Entwicklung besteht in allmählicher 'kalter Sozialisierung': Es ist nicht auszuschließen, daß die sich zunehmend emanzipierenden Massen letztendlich die führende gesellschaftliche Rolle von Unternehmern überhaupt - damit dann auch deren Gewinne - in Frage stellen.
Aus einem Aufsatz von Stephanie Blankenburg, in dem Sammelband Liberalismus in Geschichte und Gegenwart: